Rundgang 1
Prag - Rundgang 1 - Von der Kleinseite zur Altstadt
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Ehemaliges Hotel Zur alten Post. Dieser Ort erscheint im Roman Mädchenhirt (1914, 1937) von Egon Erwin Kisch und im Prager Triptychon von Johannes Urzidil. Die Geschichte des Romans Mädchenhirt basiert auf einem wahren Ereignis, das 1898 an der Moldau geschah. Hier sank ein Kreuzfahrtschiff, zu dessen Passagieren auch der reiche Geschäftsmann Karl Duschnitz gehörte. Der Fischer Jan Chrapot rettete Duschnitz vor dem Ertrinken, zog ihn aus dem Fluss und brachte ihn in seine bescheidene Wohnung auf der Insel Kampa. Nachdem Duschnitz in der Wohnung von Chrapot aufgewacht ist, missbraucht er seine Abwesenheit und hat Sex mit seiner Frau. Ein Sohn Jan wird geboren, dessen tragisches Leben die Haupthandlung des Romans ist. Die Geschichte spielt hauptsächlich auf der Insel Kampa, die von niedrigen sozialen Schichten bewohnt war. Kisch schildert in seiner Erzählung das soziale und kriminelle Umfeld armer Leute in Prag und konzentriert sich dabei auf die damals unter armen Mädchen weit verbreitete Prostitution, die sie als Einkommensquelle hatten. Ihre ersten Erfahrungen mit der Prostitution machte Betka im Hotel Zur alten Post. Das Hotel Zur alten Post erwähnt auch Johannes Urzidil in seiner literarischen Beschreibung Das Prager Triptychon im Teil Weißenstein Karl, der das tragische Leben des Provinzschriftstellers K. W. schildert, der ohne Geld nach Prag kommt, um ein neues Leben als Schriftsteller zu beginnen. Er wechselt oft seinen Wohnsitz, meistens schläft er bei dem blinden Kilian, der im Keller eines Hauses am Ufer der Moldau in Kampa lebt. Eines Tages verärgert Karl Killian, indem er ihm Geld für eine Übernachtung anbietet. Wenn er die Unterkunft bezahlen will, muss Karl in ein Hotel ziehen. Karl verbringt eine Woche im Gasthof Zur alten Post am Malteser Platz. Urzidils Beschreibung vermischt Fiktion und Geschichte mit der Realität, Prag ist ein magischer Ort, der eine Quelle von Leiden und Vergnügen, Verfall und Wohlstand ist. Auch hier ist eines der Hauptmotive die Prostitution.
"... und ich ging auch tatsächlich in das Einkehrgasthaus Zur alten Post. Das Zimmer roch nach Hypermangan, über dem Messingbett hing ein Bild des blinden Žižka, sterbend unter einem Eichbaum, denn die Tschechen sind sehr national, komme, was komme. Während der ganzen Nacht wurden Türen geschmettert, ich schlief wie mitten in einer Schlacht, aber mein Geld reichte für eine Woche." (91)

Velkopřevorské náměstí.
Ein Treffpunkt für die Hauptfiguren aus Kischs Roman Der Mädchenhirt. Hier befindet sich auch der Wohnsitz von Gustav Meyrink, Autor des Romans Golem.
Die Hauptfigur Fany trifft sich auf diesem Platz mit Betka, um ihr den ersten "Kunden" zu vermitteln. Sie bekommt 100 CZK für ihre erste bezahlte "Dienstleistung". Die weiteren sind schon günstiger.
Der Palast Metych von Čečov 490/1. Wohnort von Gustav Meyrink (19.1.1868 - 4.12.1932) an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Meyrink wurde als uneheliches Kind in Wien geboren. Seine Mutter war Schauspielerin und sein Vater württembergischer Minister. 1883 kam Meyrink das erste Mal mit seiner Mutter, die dort ein Theaterengagement bekam, nach Prag. Prag wurde für Meyrink zu einer Inspirationsquelle für sein mystisches literarisches Werk. Meyrink gehört zu dem Prager Literarischen Kreis Deutscher Schriftsteller, dessen Mitglieder im Gegensatz zu ihm überwiegend Juden waren. Sein Leben ist von Legenden und Mythen umwoben, er wurde von Spiritismus, Okkultismus und östlicher Mystik beeinflusst.

Geburts- und
Sterbehaus von Jaroslav Chrapot, der Hauptfigur aus Kischs Roman Mädchenhirt.
Hier spielt sich der Anfang und das Ende der Geschichte des Mädchenhirtes ab. Der Roman wurde wegen seiner Darstellung der Prager Unterwelt und der Prostitution sehr kontrovers aufgenommen. In liberalen Kreisen war er erfolgreich, er wurde auch auf der Bühne gespielt, aber Konservative betrachteten den Roman als Verstoß gegen Moral. Der Roman diente 1919 dem Regisseur Karl Grun als Vorlage für den gleichnamigen Stummfilm und zehn Jahre später wurde er von Hans Tintner verfilmt. Der grösste Teil wurde auf der Insel Kampa gedreht.

Ort, der von Johannes Urzidil in seinem Werk Prager Triptychon beschrieben wird -Teil Weissenstein Karl. Hier befindet sich der Wohnort, wo der blinde Kilian wohnte.
"Am längsten hielt ich es noch beim blinden Kilian aus. Er wohnte am linken Flussufer in jener kanalartigen alten Gasse, die man Klein Venedig nennt, dort wo die Moldau mit einem schmalen Arm die Insel Kampa umschlingt. Kilians Wohnverlies war auf der einen Seite ebenerdig, auf der anderen hart über der Wasserfläche." (90)

Hier spielt sich die Handlung von Meyrinks
Roman Golem (1914) ab. Die ehemalige Sanytrova
und Hampejská Strasse. Es handelt sich um eine jüdische Geschichte über den
Prager Golem, der Ende des 16. Jahrhunderts von Rabbi Löw geschaffen wurde, um
die jüdische Bevölkerung vor Pogromen zu schützen. Der Golem wurde aus Lehm und
unter Verwendung geheimnisvoller Zahlenkombinationen und Kabbala, jüdischer
Mystik, geschaffen. Nur sein Schöpfer konnte es mit Hilfe eines speziellen
Schems kontrollieren.
"Wer kann sagen, dass er über den Golem etwas wisse? Antwortete Zwakh und zuckte die Achseln. "Man verweist ihn ins Reich der Sage, bis sich eines Tages ein Ereignis vollzieht, das ihn plötzlich wieder aufleben lässt. Und eine Zeitlang spricht dann jeder von ihm und die Gerüchte wachsen ins Ungeheuerliche.Werden so übertrieben und aufgebauscht, dass sie schliesslich an der eigenen Unglaubwürdigkeit zugrunde gehen. Der Ursprung der Geschichte reicht wohl ins siebzehnte Jahrhundert zurück, sagt man. Nach verlorengegangenen Vorschriften der Kabbala soll ein Rabbiner da einen künstlichen Menschen - den sogenannten Golem - verfertigt haben, damit er ihm als Diener helfe die Glocken in der Synagoge läuten und allerhand grobe Arbeit tue. Es sei aber doch kein richtiger Mensch daraus geworden, und nur ein dumpfes halbbewusstes Vegetieren habe ihn belebt. Wie es heisst, auch das nur tagsüber und kraft des Einflusses eines magischen Zettels, der ihm hinter den Zähnen stak und die freien siderischen Kräfte des Weltalls herabzog." (43-44)
Mit Hilfe von Golem beschreibt Meyrink das geheimnisvolle und mystische Prag und schildert gleichzeitig die innere Stimmung der Hauptfigur A. Pernath. Der Golem hier hat die Form der Seele, des Innenlebens und ist der Schlüssel zur dunklen Vergangenheit. Er repräsentiert Wahnsinn und unkontrollierbare innere Zustände. Die Geschichte spielt in einer jüdischen Stadt um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts. (Straßen 17. November, Břehová, U staré hřbitova, U staré školy) und zeigt paranormale fantastische Phänomene vor einem realen Hintergrund. Jüdische Mystik überschneidet sich hier mit einer Beschreibung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Prag an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Die Hauptfiguren sind Tschechen, Deutsche und Juden in einem bestimmten sozialen Kontext.

Wohnort von Meister A. Pernath, Rabbi Hillel
und seiner tochter Mirjam. Das Haus wurde 1909 abgerissen. Im Roman Golem beschrieb
Meyrink expressionistisch die jüdische Stadt vor der Sanierung, die dem
Judenviertel seine heutige Gestalt im Jugendstil brachte. Die Häuser werden als
organische, mysteriöse Teile der Stadt dargestellt. Der gesamte Roman ist von
Mystik, okkulten Wissenschaften und Spiritismus beeinflusst.
"Mir war, als starrten die Häuser alle mit tückischen Gesichtern voll namenloser Bosheit auf mich herüber - die Tore: aufgerissene schwarze Mäuler, aus denen die Zungen ausgefault waren - Rachen, die jeden Augenblick einen gellenden Schrei austossen konnten, so gellend und hasserfüllt, dass es uns bis Innerste erschrecken müsste." (39)

In der ältesten jüdischen Synagoge Europas
befinden sich angeblich die Überreste von Golem, der sowohl in Meyrinks Roman als
auch in Kischs Erzählung Golem (1934).
Gustav Meyrink:
"Immer wieder begibt es sich nämlich, dass ein vollkommen fremder Mensch, bartlos, von gelber Gesichtsfarbe und mongolischem Typus, aus der Richtung der Altschulgasse her, in altmodische, verschossene Kleider gehüllt, gleichmässigen und eigentümlich stolpernden Ganges, so, als wolle er jeden Augenblick vornüberfallen, durch die Judenstadt schreitet und plötzlich unsichtbar wird."(45)
E.E.Kisch Golem
(1934). In dieser Geschichte sucht die Hauptfigur nach den Überresten Golems,
um herauszufinden, ob der Golem wirklich existiert hat. Die Hauptfigur gelangt
auf den Dachboden der altneuen Synagoge, wo sie nichts findet. Der Golem ist in
Žižkov, im Arbeiterviertel begraben. Der Golem könnte für die arbeitenden
Massen nützlich sein, wie es ein moderner Roboter bei harter Arbeit tun würde.
Der Mensch neigt jedoch dazu, diese Macht zu seinem Vorteil zu missbrauchen,
und deshalb sollte der Golem nicht zum Leben erwachen.

Im Mittelalter war Josefov eine jüdische Stadt
und im Straßenbereich befand sich eine alte Synagoge mit der Templ-Schule, die
Alte Schule genannt wurde. 1867 wurde sie abgerissen und 1868 an ihrer Stelle
die Spanische Synagoge errichtet. Der Ort, an dem sich Meyrinks Golem versteckt.
"Gott im Himmel, wie ein Blitzstrahl durchfuhr es mich: jetzt wusste ich, wo ich war: ein Zimmer ohne Zugang - nur mit einem vergittertern Fenster - das altertümliche Haus in der Altschulgasse, das jeder mied! Schon einmal vor vielen Jahren hatte sich ein Mensch an einem Strick vom Dach herabgelassen, um durchs Zimmer zu schauen, und der Strick war gerissen - und Ja: ich war in dem Haus, in dem der gespenstische Golem jedesmal verschwand." (102)

Max Brod gehörte zusammen mit F. Kafka, F.
Werfel, G. Meyrink und anderen Autoren zum Prager Kreis der deutsch
schreibenden Schriftsteller. Er war ein sehr guter Freund von Franz Kafka und
war verantwortlich für die Veröffentlichung seines literarischen Werkes. Trotz
Kafkas Wunsch, nach seinem Tod alles zu zerstören, beschloss er, Kafkas Werk zu
veröffentlichen. Weniger bedeutend ist das literarische Schaffen von Max Brod,
erwähnenswert ist der autobiografische Text Leben voller Kämpfe, in dem er die
kulturellen Ereignisse der 1920er und 1930er Jahre in Prag beschreibt. In
seinem Buch beschreibt er Prag als "eine Stadt, in der nicht nur die einzelnen gegeneinander
polemisierten, sondern drei Nationen standen im Kampf gegeneinander: die
Tschechen als Majorität, die Deutschen als Minorität und die Juden als Minorität
innerhalb dieser Minorität.Wobei die Situation dadurch erschwert wurde, dass
die Begriffsbestimmung des Judentums (Nation oder Religion - oder beides zugleich)
noch lange nicht feststand und dass eine stetig wachsende Zahl von Juden dem tschechischen
Sektor zustrebte." (7) Max Brod interessierte sich intensiv für den Zionismus,
war ein Anhänger des sogenannten Prager Zionismus, der eine Form des
kulturellen Zionismus war, der von Martin Buber repräsentiert wurde. Als
Journalist schrieb er Artikel für die deutsche Zeitung Prager Tagblatt. Er verließ
Prag mit dem letztmöglichen Zug in der Nacht zum 14.3. 1939 Richtung Palästina.

Wohnsitz von Franz Kafka von März 1915 bis Februar 1917 - fünfter Stock, Wohnung mit Balkon. In dieser Zeit schuf er jedoch an einem anderen Ort. Er ging regelmäßig in die Goldene Gasse auf der Prager Burg ins Haus Nr. 14 und schrieb dort. Zu dieser Zeit schrieb er die meisten Kurzgeschichten aus der Sammlung Ein Landarzt.

Ehemalige Gaststätte Zum alten Ungelt, gegenwärtig Zur goldenen Trumpete (Jazz Club Ungelt)
Diesen Ort schildert Meyrink in seinem Roman Der Golem, wo sich Zwakh, Vrieslander, Prokop und Pernath trafen und unglaubliche Geschichten erzählten
Tatsächlich trafen sich hier deutsche Schriftsteller - eine literarische Gruppe junger Schriftsteller: P. Leppin, V. Hadwiger, G. Meyrink.
"Wie ein Trifolium (Zwakh, Prokop, Vrieslander) von Toten hockten sie um den wurmstichigen alten Tisch herum - alle drei weisse dünnstielige Tonpfeifen zwischen den Zähnen und das Zimmer voll Rauch." (174)

Dieser Ort wird von Paul Leppin (27.11.1878-10.4.1945) in seinem Roman Severins Gang in die Finsternis ova cesta do temnot (Ein Prager Gespensterroman) (1914)
Ein psychologischer Roman über einen jungen, zerrissenen Mann Severin. Beschreibung der Stadt in den Abend- und Nachtstunden, Gasthäuser, Bordelle, erotische Treffen. Frauen spielen eine wichtige Rolle in Severins Leben, er ist in ihrer Macht. Prag als magische Stadt, die Macht über Severin hat.
"Da war die Stadt, riesengross, mit tiefen Strassen und tausend Fenstern. Und mitten darin das Weinhaus in der schwarzen Gasse. Die Lampe über dem Eingang glotzte wie ein Auge und vor der Türe drängten sich die Leute. Sie kamen einer nach dem anderen, wie die Mücken zum Licht - drinnen sass Mylada in ihrem grünen Kleide - Unsichtbar, unter den geschweiften Beinen des Klaviers zusammengeduckt, kauerte ein plumpes Wesen, das die Nachtmenschen die Freude nannten." (83)
"In der Spinne zeigte der Zeiger der Wanduhr schon die zwölfte Stunde. Das Lokal war überfüllt und ein aufreizender Geruch nach vergossenem Wein schwamm über den Tischen." (87)


Das Geburtshaus von Egona Erwin Kisch (29.4.1885-31.3.1948). Hier spielt die Handlung der Erzählung Die Himmelfahrt der Galgentoni (1921)
"Selten habe ich so wüste Nachtlokale gesehen wie rings um den Prager Gemüsemarkt und Fleischmarkt. Nicht als Nachlokale waren sie gedacht, sondern als Morgenlokale, wo die Blumenhändlerinnen, die Metzgerburschen und die Markthelfer im Morgengrauen ihren Kaffee oder ihre Suppe schlürfen sollten. Aber diese Stätten für Frühaufsteher wurden zu Sammelbecken für Spätschlafengeher." (196)
Egon Erwin Kisch wurde als Sohn deutschsprachiger jüdischer Eltern in Prag geboren. Kisch gehörte dem Prager Kreis deutschsprachiger Schriftsteller an und wurde als Journalist, der sogenannte "Rasende Reporter", berühmt. Er schuf ein neues literarisches Genre, eine literarische Reportage, die an der Grenze zwischen Belletristik und Reportage lag. In seinen Reportagen schilderte er die Prager Unterwelt, sozial ausgegrenzte Gruppen wie Prostituierte, Arme, schwer Arbeitende und Kriminelle. Kisch stellt sich in seinen Schilderungen oft auf die Seite der Schwachen, Armen und Unterdrückten und schildert sie mit tiefem Verständnis und Einfühlungsvermögen. 1914 trat er in den erste Weltkrieg,in dem er ein Jahr später an der russischen Front verwundet wurde. 1919 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei, von der er sich versprach, die sozialen Unterschiede zwischen Arm und Reich zu verringern und den Antisemitismus in der Gesellschaft zu beseitigen. Er schrieb für die wichtigste deutsche Zeitung in Prag, das Prager Tagblatt, und war in der antifaschistischen Bewegung aktiv. Er lebte 1933 in Berlin, wurde dort im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand inhaftiert, später entlassen und aus Deutschland ausgewiesen. Nach seiner Rückkehr nach Prag half er deutschen Antifaschisten und Juden, die vor Hitler aus Deutschland und Österreich flohen. In den Jahren 1937-1938 nahm er an den Kämpfen im Spanischen Bürgerkrieg teil, 1939 ging er ins Exil über die USA nach Mexiko, wo er zusammen mit anderen linken Intellektuellen, darunter auch Lenka Reinerová, die deutsche Zeitung Freies Deutschland gründete. 1946 kehrte er nach Prag zurück, wo er zwei Jahre später am 31. März 1948 starb.

Wohnort von Lenka Reinerová (17.5.1916 - 27.6.2008) der letzten deutschschreibenden Autorin in Prag
Lenka Reinerová wurde in Prag in Karlín in eine jüdischsprachige Mischfamilie hineingeboren. Die Mutter war deutschsprachig und die Muttersprache ihres Vaters war tschechisch. L. Reinerová kannte einige Mitglieder des Prager Kreises persönlich, darunter E. E. Kisch. Sie arbeitete als Journalistin und Übersetzerin. Bevor sie ins mexikanische Exil ging, arbeitete sie mit F.C. Weiskopf für die linke Zeitung AIZ (Arbeiter Illustrierte Zeitung). Bis 1968 war sie Mitglied der Kommunistischen Partei, aus der sie nach dem sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei ausgeschlossen wurde. In den Jahren 1933-1938 half sie deutschen Flüchtlingen vor Hitler in Prag, 1939 floh sie nach Paris, wo sie inhaftiert war. Die nächsten zwei Jahre verbrachte sie im Gefängnis in Westafrika, von wo sie 1941 nach Mexiko floh, wo sie sich deutschen linken Schriftstellern anschloss, darunter E.E. Kisch. Im Exil heiratete sie 1943 den jugoslawischen Arzt Theodor Balko, mit dem sie nach dem Krieg nach Belgrad ging. Sie ging 1948 in die Tschechoslowakei. In diesem Jahr ergriff die Kommunistische Partei in der Tschechoslowakei die Macht. Vier Jahre später wurde Lenka Reinerová im Zusammenhang mit dem Prozess gegen R. Slánský für 15 Monate inhaftiert. Sie wurde am Tag von Stalins Tod 1953 freigelassen. Nach ihrer Freilassung durfte sie ihren Beruf nicht ausüben, sie arbeitete als Glasverkäuferin. Nach der politischen Rehabilitierung 1964 arbeitete sie als Chefredakteurin der deutschen Zeitschrift Im Herzen Europas, die nur bis 1970 erschien. Aufgrund ihrer kritischen Haltung gegenüber der sowjetischen Besatzung 1968 und der Kommunistischen Partei durfte sie ihre Werke nicht in der Tschechoslowakei bis 1989 nicht veröffentlichen. Seit 1983 durfte sie jedoch in der DDR veröffentlichen. Ihr meist autobiografisches Werk wurde erst nach 1989 ins Tschechische übersetzt und nachträglich veröffentlicht.
"In der Melantrichgasse hat eigentlich alles begonnen. Sie ist eine sehr alte Strasse im Herzen Prags, zwischen dem Brückel (Můstek) am unteren Ende des Wenzelsplatzes und dem Altstädter Ring. Benannt wurde sie nach dem tschechischen Drucker Jiří Melantrich von Aventin, der dort im Jahre 1563 ein prächtiges Haus im Renaissancestil erbauen liess, rund zweihundert Bücher herausgab, an dreissig Schriftsätze besass und in mehreren Sprachen druckte." (5)
"Als ich Anfang 1936 in der aus Deutschland vertriebenen und in Prag aufgenommenen Redaktion der Arbeiter-Illustrierten Zeitung (AIZ) zu arbeiten begann, beschloss ich, aus der elterlichen Wohnung auszuziehen. Mit wenig Geld und dem Anspruch auf eine möglichst abgeschlossene Unterkunft war das kein einfaches Unterfangen. Nach längerem Suchen fandi ch eine Mansarde, die mir sofort gefiel: winzig, aber völlig separat, schräge Wände, aber ein breites Fenster mi teinem herrlichen Ausblick über die Dächer der Altstadt bis hin zu den Baumkronen des Petřín-Hügels. Meine neue Behausung befand sich in der Melantrichgasse Nr.7."(6)